Sprungmarken
Suche
Suche

Sie erwarten ein Baby oder sind Eltern eines Kleinkindes? Das ist eine Zeit der Freude und Erwartung, die viel Neues mit sich bringt. Das bisherige Leben verändert sich grundlegend und Fragen jeglicher Art tauchen auf. Manchmal warten auch besondere Herausforderungen auf Lösungen. (Werdende) Eltern in ihrer neuen Rolle zu begleiten und zu unterstützen, ist der Leitgedanke der Frühen Hilfen. Der Austausch mit anderen Menschen in ähnlicher Situation kann dabei hilfreich sein.
Foto von Birsen Krüger

Die „Frühen Hilfen in der Stadt Wetzlar“ setzen hier genau an. Seit mittlerweile zwölf Jahren wenden sie sich mit verschiedenen Angeboten an alle werdenden Eltern in den betreuten Stadtteilen Derzeit sind das in städtischer Trägerschaft das Kinder- und Familienzentrum Nauborn und das Kinder- und Familienzentrum Niedergirmes. Darüber hinaus werden die „Frühen Hilfen“ auch im Familienzentrum Hermannstein/Blasbach (Diakonie Lahn-Dill), im Familienzentrum Westend (Caritasverband/Lahn-Dill-Eder e. V.), Frühe Hilfen in der Neustadt (Deutscher Kinderschutzbund e. V.) und im Kinder- und Familienzentrum der Lebenshilfe Wetzlar-Weilburg e. V. angeboten. In Dalheim werden Willkommensbesuche durch den Caritasverband Lahn-Dill-Eder mit Ayfer Bulut durchgeführt. Das Kinder-und Familienzentrum dort befindet sich im Bau. Bei Fertigstellung – geplant zum Sommer 2022 – werden dort dann auch Angebote stattfinden. Derzeit vermittelt Frau Bulut, wie der DKSB auch, an die angrenzenden Kinder-und Familienzentren.

In loser Reihenfolge stellen wir die Arbeit und Schwerpunkte der einzelnen Zentren vor.

Blick nach Niedergirmes

Birsen Krüger muss nicht lange überlegen. Auf die Frage, was ihre Arbeit als Koordinatorin der „Frühen Hilfen“ in Niedergirmes so besonders macht, sagt sie spontan: „Niedergirmes ist wunderbar. Ich komme so gern in Kontakt mit Menschen, ich helfe gern und bin sehr kommunikativ.“ Seit sechs Jahren besucht Krüger die Familien mit Neugeborenen in Niedergirmes, begrüßt das Baby mit einem großen Willkommenspaket und stellt die zahlreichen Angebote für junge Familien vor, die das Kinder- und Familienzentrum bereithält. „Jede Familie bekommt einen Terminvorschlag für den Willkommensbesuch. Natürlich ist das Angebot freiwillig und die allermeisten Familien nehmen es an. Bis ich dann mit meinem Paket vor der Tür stehe, vergehen etwa zwei Wochen. Die Kinder sind dann meistens sechs bis acht Wochen alt.“ In den Willkommenspaketen finden die Eltern Informationen über die Entwicklung des Kindes, über Gesundheit und Ernährung, über die Angebote des Kinder- und Familienzentrums, Freizeitangebote sowie Beratungsangebote in Wetzlar.  Außerdem gibt es diverse Geschenke, wie ein Kuscheltier und ein großes Bilderbuch, welche durch Sponsor-Partner wie IKEA und Wetzlarer Bürgerstiftung e.V. zur Verfügung gestellt werden.

Ihre Arbeit sei eine durchweg positive, betont sie. Sie erinnert sich an viele Momente, in denen die Familien vor einem Besuch des Jugendamtes Angst hatten und dann positiv überrascht waren über das nette Gespräch und die Hilfe und die Angebote. „Meistens stelle ich nur kurz unsere Arbeit vor, biete Unterstützung und regelmäßigen Austausch an. Und ganz oft wird schon allein das als sehr hilfreich wahrgenommen.“ Und sie will auch nach dem Besuch vor Ort sichtbar bleiben. So ist Krüger viel zu Fuß in Niedergirmes unterwegs, spricht Leute an, fragt nach dem Befinden und danach, ob sie etwas brauchen. „Das Allerwichtigste ist, dass man mit den Leuten in Kontakt bleibt.“ Für Krüger ist es besonders schön, Familien über mehrere Jahre zu begleiten und auch das wachsende Engagement zu sehen. „Manche Eltern haben es geschafft, eine eigenständige Gruppe ins Leben zu rufen und die Treffen über mehrere Monate hier im Zentrum regelmäßig anzubieten und sich zu treffen. Ich wünsche mir sehr, dass das nach der Pandemie wieder Fahrt aufnimmt.“

Dabei hat die Pandemie auch die Arbeit der Koordinatorin massiv verändert: „Die Gespräche finden jetzt an der Haustür, außerhalb der Wohnung statt, sind viel kürzer geworden. Mir ist vor allem wichtig, dass man sich gesehen hat, dass sie wissen, wer ich bin, dass sie sich melden können. Trotzdem hoffe ich, dass das bald wieder anders werden kann.“

Während in anderen Städten diese Hilfe entweder durch ehrenamtliche Kräfte oder gar nicht angeboten wird, werden in Wetzlar ausschließlich pädagogische Fachkräfte eingesetzt. „Ich habe hier aber auch ehrenamtliche Familienpatinnen, die mich tatkräftig unterstützen“, ergänzt Krüger, die neben der Präsenz im Stadtteil auch viele organisatorische Arbeiten zu erledigen hat.

Durch die Pandemie sind beinahe alle Präsenz-Veranstaltungen ausgefallen, viele Angebote mussten neu konzipiert werden, um sie online zugänglich zu machen. „Wir bieten inzwischen einen Familien-Austausch an, wir haben  eine Baby-Massage im Programm und auch einige Sportkurse. Aber manches geht einfach nicht online. Beispielsweise das Eltern-Café fehlt uns. Auch das Familienfest möchten wir gerne wieder ausrichten. Es ist einfach wichtig, sich regelmäßig zu sehen und zu begegnen. Die Herausforderung besteht für uns darin, das jetzt noch auszuhalten, diese paar Monate durchzuhalten.“

Porträtfoto Gabriele Spengler vom Familienzentrum Niedergirmes
Gabriele Spengler
Porträtfoto Bettina Rauber
Bettina Rauber

Viele Ideen und Suche nach ehrenamtlicher Hilfe

Gabriele Spengler, die derzeit in Vertretung für Alexandra Auen das Kinder- und Familienzentrum in Niedergirmes leitet, stimmt Birsen Krüger zu: „Wir sehen viele Kinder momentan nicht. Zwei Gruppen sind geschlossen. Durch die Notbremse haben wir nur wenige Kinder im Haus. Und das Familienzentrum ruht durch die Pandemie auch.“

Ideen haben Spengler und ihre Stellvertreterin Bettina Rauber reichlich, einzig an den Kapazitäten mangelt es. „Wer sich ehrenamtlich engagieren möchte, ist herzlich willkommen, beispielsweise auch beim Übersetzen, denn die Sprachbarriere ist teilweise natürlich vorhanden. Ehrenamtliche Hilfskräfte könnten diese Familien begleiten oder auch abholen und ins Zentrum bringen.“ Niedergirmes sei eigentlich wie ein kleines Dorf, sagt sie mit leuchtenden Augen. Die Eltern seien sehr dankbar für ihre Arbeit und den direkten Austausch. Fast jeder kenne in Niedergirmes jeden – und als Teil des Familienzentrums gehöre man dazu. „Dass man hier ganz viele Blickwinkel haben, Perspektiven einnehmen muss, das macht die Arbeit für mich so schön. Die Unterschiedlichkeit, das macht es für mich aus. Und im direkten Austausch erlebt man das besonders intensiv.“

Und Birsen Krüger ergänzt: „Es ist dann auch so schön, wenn die Leute sich trauen, endlich Deutsch zu reden. Wenn sie Vertrauen haben, sich anvertrauen. Das sind gewachsene Beziehungen über Jahre. Die Menschen fühlen sich bei uns sicher und geborgen. Und das möchten wir weitergeben.“