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Sie erwarten ein Baby oder sind Eltern eines Kleinkindes? Das ist eine Zeit der Freude und Erwartung, die viel Neues mit sich bringt. Das bisherige Leben verändert sich grundlegend und Fragen jeglicher Art tauchen auf. Manchmal warten auch besondere Herausforderungen auf Lösungen. (Werdende) Eltern in ihrer neuen Rolle zu begleiten und zu unterstützen, ist der Leitgedanke der Frühen Hilfen. Der Austausch mit anderen Menschen in ähnlicher Situation kann dabei hilfreich sein.
Miriam Bödeker-Koch und Jessica Bause vor dem Kifaz Nauborn
Miriam Bödeker-Koch (l.) und Jessica Bause mit Sohn Tiago vor dem Kinder- und Familienzentrum Nauborn

Die „Frühen Hilfen in der Stadt Wetzlar“ setzen hier genau an. Seit mittlerweile zwölf Jahren wenden sie sich mit verschiedenen Angeboten an alle werdenden Eltern in den betreuten Stadtteilen Derzeit sind das in städtischer Trägerschaft das Kinder- und Familienzentrum Nauborn und das Kinder- und Familienzentrum Niedergirmes. Darüber hinaus werden die „Frühen Hilfen“ auch im Familienzentrum Hermannstein/Blasbach (Diakonie Lahn-Dill), im Familienzentrum Westend (Caritasverband/Lahn-Dill-Eder e. V.), Frühe Hilfen in der Neustadt (Deutscher Kinderschutzbund e. V.) und im Kinder- und Familienzentrum der Lebenshilfe Wetzlar-Weilburg e. V. angeboten. In Dalheim werden Willkommensbesuche durch den Caritasverband Lahn-Dill-Eder mit Ayfer Bulut durchgeführt. Das Kinder-und Familienzentrum dort befindet sich im Bau. Bei Fertigstellung – geplant zum Sommer 2022 – werden dort dann auch Angebote stattfinden. Derzeit vermittelt Frau Bulut, wie der DKSB auch, an die angrenzenden Kinder-und Familienzentren.

In loser Reihenfolge stellen wir die Arbeit und Schwerpunkte der einzelnen Zentren vor.

Blick nach Nauborn

„Ich war vorgewarnt“, erinnert sich Jessica Bause lachend an den Moment, als sie Post vom Jugendamt der Stadt Wetzlar erhielt. „Eine Freundin hat mir erzählt, dass sich einige Eltern wunderten, dass sie nach der Geburt ihrer Kinder Post von der Stadt bekommen hatten. Aber dass ich mir keine Sorgen oder Gedanken machen muss.“ Denn für alle frischgebackenen Eltern in Wetzlar ist diese Post obligatorisch. So auch für die 36-Jährige, deren Sohn Tiago inzwischen zwei Jahre alt ist. „Und dann war alles nicht nur nicht schlimm, sondern einfach nur komplett positiv.“ Bause wohnt mit ihrer Familie im Wetzlarer Stadtteil Nauborn – und freute sich über den Besuch von Fachkraft Miriam Bödeker-Koch, die in Nauborn die sogenannten Willkommensbesuche macht. Diese sind freiwillig, werden aber fast immer angenommen. Denn hinter den gemischten Gefühlen verbirgt sich oft auch Neugier. Zu den Besuchen bringt Miriam Bödeker-Koch das Willkommens-Paket mit. In dem Karton, den die Erzieherinnen des Kinder- und Familienzentrums Nauborn gemeinsam mit den Kindergarten-Kindern gestalten, befinden sich neben vielen Informationen zu den Angeboten des Familienzentrums und der örtlichen Vereine auch kleine Geschenke, ein Ordner mit Informationen zur Entwicklung des Kindes und Gutscheine. Bödeker-Koch stellt bei einem Willkommens-Besuch das Programm des Kinder- und Familienzentrums vor und bietet Unterstützung an. „Ich hatte sofort das Gefühl, dass ich bei Frau Bödeker-Koch auch Hilfestellungen bekomme, wenn ich sie benötige. Ich fühlte mich gleich gut aufgehoben. Und ich glaube, gerade wenn man sich überfordert fühlt, ist es einfach wichtig, dass da jemand ist, der einen willkommen heißt, dass es eine Ansprechperson gibt. Das ist unglaublich viel wert“, sagt Bause. Ebenfalls im Karton: ein Gutschein für den Kurs „kleines Krabbeln“ – eine gezielte Bewegungsförderung, die durch eine Physiotherapeutin begleitet wurde.

Ihr Sohn Tiago kam zur Welt, bevor die Corona-Pandemie ausbrach. Vieles war damals noch einfacher, viel mehr Angebote konnten vor Ort und in Präsenz im Kinder- und Familienzentrum im Solmser Weg stattfinden. „Ich bin relativ schnell zum sogenannten Neugeborenen-Frühstück gegangen und fand es schön, so unmittelbar in Kontakt mit anderen Müttern zu treten und auch mal ein bisschen Zeit und Ruhe für Gespräche zu haben. Die Kinder waren betreut“, schildert Bause ihre Erfahrung. Das Neugeborenen-Frühstück fand vor der Pandemie regulär einmal im Monat statt und soll auch nach Ende der Pandemie wieder aufgenommen werden. Das Kinder- und Familienzentrum stellt Kaffee, Tee und Brötchen – die Eltern organisieren untereinander den Rest für das Frühstück. „Wir haben diese Termine auch genutzt, um Fragen zu beantworten, Hilfe anzubieten oder auch über Themen wie beispielsweise Zahn- und Mundpflege bei Säuglingen durch eine Fachkraft des Gesundheitsamtes zu informieren“, führt Bödeker-Koch aus. „Das möchten wir auf jeden Fall wieder machen, sobald es geht.“

Die Pandemie zwang zum Umdenken

Die Pandemie zwang die Fachkräfte jedoch erst einmal zum Umdenken. So wurde aus dem Neugeborenen-Frühstück vorübergehend die „Kinderwagen-Parade“. „Wir mussten schnell handeln, denn die Kontakte der Eltern untereinander sind ein Eckpfeiler unserer Arbeit. Gerade auch, weil es hier viele Zugezogene gibt, die noch keine anderen Nauborner kennen“, sagt Bödeker-Koch. So trafen sich die Mütter zum gemeinsamen Spazierengehen alle zwei Wochen. Zwei Stunden lang nutzen die Eltern bei der „Kinderwagen-Parade“ das sommerliche Wetter zum Austausch. Auch dadurch baute sich über das Kinder- und Familienzentrum ein Netzwerk auf, auf das Bödeker-Koch und KiFaz-Leiterin Doris Lüdeke sehr viel Wert legen.

„Der generationsübergreifende Austausch miteinander ist mir sehr wichtig. Der Kontakt mit den Eltern, aber eben auch der Eltern untereinander. Und auch zu anderen Naubornern, die vielleicht gar kein Kind mehr bei uns in der Kita haben, sich aber trotzdem noch hier engagieren. Miteinander in Kontakt zu kommen und zu bleiben. Wir haben insgesamt auch zwölf ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die beispielsweise in der Bibliothek aushelfen, vorlesen, mit anpacken. Darunter sind Omas, Opas, Tanten, Nachbarn.“

Derzeit erfolgt die Beratung überwiegend telefonisch, die Erziehungsberatung vor Ort findet momentan nur bei der Diakonie in Niedergirmes statt. Viele Kurse, die das Kinder- und Familienzentrum angeboten hat, fallen seit Beginn der Pandemie aus – oder wurden auf virtuelle Plattformen verlegt. So gibt es derzeit einen Online-Kaffeeklatsch mit Tipps zur Bewegungsförderung bei Säuglingen und Kleinkindern, Zumba online für die Eltern, eine Online-Babymassage für Neugeborene und seit neuestem auch einen abendlichen Online-Elternaustausch. Eine Märchenerzählerin zeichnet ihre Geschichten per Video auf und bietet sie über die Internetseite der Stadt Wetzlar an.

Das generations- und fachübergreifende Denken begleitet Lüdeke auch bei der Planung des Familientages, der alle zwei Jahre stattfindet: „Alle sind dabei“, sagt sie, „Ortsvereine, Musikvereine, Sportvereine, die Feuerwehr. Dieser Tag ist die beste Möglichkeit, Eltern, Großeltern, Vereine und Familienzentrum zusammenzubringen.“

Sobald das Wetter wärmer und trockener wird, soll vor Ort und draußen wieder ein Yoga-Kurs stattfinden. Auch die Bibliothek möchte Lüdeke bald wieder öffnen. „Wir sind Literatur-Kita. Wir haben in Nauborn mit 50 Prozent einen hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund. Sprache und Lesen sind sehr wichtig für uns. Früher war die Bibliothek mittwochs offen, die Kinder konnten kostenlos Bücher ausleihen und mit nach Hause nehmen. „Derzeit habe ich keine Möglichkeit, die Bücher alle zu desinfizieren“, sagt Lüdeke. Auch das Bilderbuch-Kino möchte Lüdeke so bald wie möglich wieder anbieten.

Auch der Krabbelclub, ein Angebot für Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und drei Jahren kann derzeit nicht stattfinden. Ein Angebot, dass Jessica Bause sehr gerne genutzt hat. „Ich fand es sehr gut, dass die Eltern, die ihre Kinder ohnehin in die Kita geben wollten, die Chance hatten, bei diesem Kurs nicht nur schon die Erzieherinnen, sondern auch die Räumlichkeiten kennenzulernen und Fragen zum Ablauf zu stellen. Es ist auch für die Kinder wichtig, dass sie alles schon kennen.“

Doch was trotz Pandemie funktioniert, ist der Austausch. Auch mit den anderen Familienzentren in Wetzlar. „Während Corona ist die Zusammenarbeit noch intensiver geworden“, sagt Bödeker-Koch. „Wir denken uns neue Angebote aus, kümmern uns darum, sie gemeinsam umzusetzen und versuchen wirklich, nah an den Eltern dranzubleiben. Bald dann hoffentlich auch wieder mehr in Präsenz.“

Auch Jessica Bause wird dann wieder mit dabei sein. Sohn Tiago fühlt sich im Kinder- und Familienzentrum Nauborn rundum wohl. Und in wenigen Wochen kommt Bauses zweites Kind zur Welt.