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Wenn man durch eine Stadt einmal mit offenen Augen und ohne Alltagsstress läuft, dann entdeckt man mitunter Dinge am Wegesrand, deren Existenz man bisher allenfalls aus den Augenwinkeln wahrgenommen hat – wenn überhaupt. Die Redaktion der WetzlarTipps hat sich einmal zu einem Stadtspaziergang der besonderen Art aufgemacht und sich den „Dings am Wegesrand“ gewidmet Denkmäler, Skulpturen, Gedenksteine. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Historisches Portal am Bahnhof
Historisches Portal am Bahnhof © Sabine Glinke

Wir starten den Spaziergang am Bahnhof in Wetzlar. Zwischen dem Bahnhof, dem ZOB und dem danebenliegenden Einkaufszentrum Forum gibt es gleich zwei historische Portale zu entdecken. „Erbaut 1910“ steht auf dem einen, „Güter-Abfertigung“ auf dem anderen. Tatsächlich handelt es sich hier um originale Überreste des früheren Bahnhofs, der, 1859 ursprünglich errichtet, 1909/1910 den ersten größeren Umbau erfuhr. Auf demselben Platz befindet sich seit dem jüngsten Bahnhof-Umbau anlässlich des Hessentages 2012 in Wetzlar auch eine dreiteilige Skulptur aus Stahl und Stein des Künstlers und Bildhauers Alf Becker (Allendorf/Lumda), die ebenfalls zum Hessentag 2012 installiert wurde. Die dreiteilige Skulptur mit dem Namen „Triade“ war ein Geschenk des Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier an die Stadt Wetzlar. Die "Triade" mit einer Grundfläche von 3,70 Metern hatte sich in einem Auswahlverfahren durchgesetzt. Die Reisenden, die am Wetzlarer Bahnhof ankommen, werden mit dem Kunstwerk begrüßt, das an die Tradition der Stadt Wetzlar als Industriestandort anknüpft. Die beiden Stahlelemente verweisen auf die Stahlproduktion in Wetzlar durch Buderus Edelstahl. Die zwei Meter hohe besteht aus Diabasstein, einer der Rohstoffe, die in den Steinbrüchen der Region gewonnen werden.


Vielen unbekannt: Der junge Goethe

Zwischen Bahnhofstraße und Inselstraße: der junge Goethe
Zwischen Bahnhofstraße und Inselstraße: der junge Goethe © Sabine Glinke

Wir umrunden die Spitze des Forums und unterqueren auf unserem Spaziergang schließlich die flankierende Bundesstraße 49, um den Weg entlang der Einkaufsstraße, der Bahnhofstraße anzutreten. Dort steht, ziemlich versteckt in einer Ecke und daher von Vielen bisher unbemerkt auf einem kleinen, namenlosen Platz zwischen Bahnhofstraße und Inselstraße vor dem Rechtsanwalts- und Notariatsbüro Woeller, Tschakert & Partner die Skulptur „Der junge Goethe“. Von der genannten Kanzlei beauftragt, schuf die Wetzlarer Bildhauerin und Designerin Leonie Woeller die Skulptur ebenfalls währendes Hessentages 2012 – direkt auf diesem Platz.


Das Jägerdenkmal

Jägerdenkmal, Hausertorstraße
Jägerdenkmal, Hausertorstraße © Sabine Glinke

Nun geht die Route über die Brückenstraße zur Hausertorstraße. Dort, neben dem Blumenladen und direkt vor dem Einstieg in den historischen Hausertorstollen, steht das Jägerdenkmal in Form eines anmutig springenden Hirsches. Das Denkmal wurde in Andenken an das bis 1877 in Wetzlar stationierte Rheinische Jägerbataillon errichtet. Der aus Frankfurt stammende Bildhauer Professor Fritz Klimsch erschuf das Denkmal 1923 in Anlehnung an das Wappen des Batallions und als Allegorie auf die Jäger. Der 1,75 Meter große Hirsch aus Bronze thront auf einem Sockel aus Muschelkalk, der vom Wetzlarer Bauunternehmer Johann Georg Müller erschaffen wurde.


August Bebel

August-Bebel-Denkmal, Bebelplatz
August-Bebel-Denkmal, Bebelplatz © Dominik Ketz

Die Route führt uns schließlich an den umgangssprachlich Bebelplatz genannten Ort, jenen Gedenkplatz zwischen Hauser Gasse und an der Treppe zur Freilichtbühne Rosengärtchen, an dem August Bebel, dem Mitbegründer der SDAP, der Vorläufer-Partei der heutigen SPD, ein Denkmal gesetzt wurde. August Bebel, nach dem auch das Haus der SPD Lahn-Dill benannt ist, lebte von seinem sechsten Lebensjahr bis zum Beginn seiner Gesellenwanderung in Wetzlar. Erstmalig hatte die Arbeiterjugend 1922 den Platz geschmückt; die ursprüngliche Gedenktafel wurde jedoch im selben Jahr entwendet. 1928 wurde ein Findling mit Gedenktafel eingeweiht. Dieser wurde im Februar 1933 von SA- und SS-Leuten entfernt und in der Nähe des Bahnhofs vergraben. 1938 wurde der Stein wieder ausgegraben und mit einer Gedenkplatte für die Toten des 8. Jägerbataillons im Ersten Weltkrieg an der Silhöfer Aue aufgestellt. 1950 brachte man den Findling mit einer neuen Bronzeplatte wieder an seinen ursprünglichen Ort; die Platte wurde in den 50er Jahren allerdings erneut entwendet. Anlässlich des 70. Todestages von August Bebel am 13. August 1983 wurde eine neu gegossene Bronzetafel am Bebelplatz enthüllt.


Gedenkstein Karl-Wilhelm Jerusalem

Karl-Wilhelm Jerusalem, Rosengärtchen
Karl-Wilhelm Jerusalem, Rosengärtchen © Sabine Glinke

Über die Treppe geht es durch die Freilichtbühne Rosengärtchen und dem im dortigen Park gelegenen Alten Friedhof, auf dem Karl Wilhelm Jerusalem, der Goethe als Vorlage für seinen Werther diente, nach seinem Freitod beerdigt wurde. Ein Gedenkstein markiert ungefähr die Begräbnisstelle, deren genaue Lage nicht mehr zu ermitteln ist. Gesetzt wurde der Stein zum 200. Geburtstag Goethes am 28.8. 1949. Ein weiterer Gedenkstein im Park erinnert an Karl Kellner (1826 – 1855), den Begründer der Optischen Industrie in Wetzlar.


Das Stadtmodell und der Römische Kaiser

Stadtmodell am Domplatz
Stadtmodell am Domplatz © Sabine Glinke

Wetzlar „von oben“ betrachten kann man am Stadtmodell nahe des Haupteingangs zum Dom. Das Bronze-Modell der Wetzlarer Altstadt im Maßstab 1:500 zeigt eine Stadtansicht, die den ehemaligen Verlauf der Stadtmauer beinhaltet. Auch für Blinde und Sehbehinderte ist das Modell geeignet und lädt zum Ertasten der Stadt ein. Hergestellt von der Glocken- und Kunstgießerei Rincker, präsentiert sich das 180 Kilogramm schwere Modell auf einem 2,5 Tonnen schweren Steinsockel und wurde als Geschenk des Lions Club zu dessen 50-jährigen Bestehen an die Stadt Wetzlar überreicht.


Römischer Kaiser am Kornmarkt
Römischer Kaiser am Kornmarkt © Sabine Glinke
Den Blick nach oben richten muss man, um am Kornmarkt die Figur des Römischen Kaisers zu erspähen. 1767 wurde am Kornmarkt das barocke Theater, Ball- und Gasthaus „Zum Römischen Kaiser“ erbaut. Das Wirtshausschild, die Figur eines Kaisers, stellt vermutlich Franz I. dar, den Gemahl Kaiserin Maria Theresias, der von 1747 bis 1765 römisch-deutscher Kaiser war.

Kriegermahnmal, Ludwig Erk und Franz von Assisi

Kriegermahnmal, Avignon-Anlage
Kriegermahnmal, Avignon-Anlage © Sabine Glinke

Durch den Torbogen im Haus des Römischen Kaisers geht es Richtung Stadthalle und dann die Avignon-Anlage, in deren oberen Teil nahe des Säuturms das Opfer-Mahnmal für die Kriegsopfer des Zweiten Weltkriegs zu finden ist, hinunter. Das Mahnmal wurde am 15. November 1959, dem damaligen Volkstrauertag, auf Wunsch des VdK Wetzlar errichtet. Geschaffen hat es der Bildhauer Carl Bourcarde aus Wettenberg-Krofdorf aus Diabasstein. Nun heißt es ein bisschen suchen, denn die nächsten beiden prominenten Herren stehen etwas versteckt.


Ludwig Erk, Erkplatz
Ludwig Erk, Ludwig-Erk-Platz © Sabine Glinke

Malerisch und verwunschen ist der mit alten Robinien bewachsene Ludwig-Erk-Platz zwischen Zehnscheune und Musikschule im ehemaligen Franziskanerkloster am Schillerplatz wohl einer der schönsten Plätze in Wetzlar. Hier steht das Denkmal des namensgebenden Komponisten Ludwig Erks, der in Wetzlar geboren wurde. Auch das in der benachbarten Zehntscheune gelegene Lokal ist nach ihm benannt worden.


Franz von Assisi, ehem. Klostergarten/Ecke Franziskanerstraße
Franz von Assisi, ehem. Klostergarten/Ecke Franziskanerstraße © Sabine Glinke

Nur wenige Meter weiter, rückseitig zur Musikschule, nahe des Boule-Platzes im ehemaligen Klostergarten an der Ecke zur Franziskanerstraße steht ein weiterer wichtiger Herr: Franz von Assisi, erschaffen vom Bildhauer Heinrich Janke. Aus seiner Bruderschaft entstand der Franziskanerorden, der sich schon bald in Westeuropa ausbreitete. Franziskanerklöster mit ihrer typischen Architektur prägen das Bild mittelalterlicher Städte bis heute, etwa in Wetzlar, wo das ehemalige Franziskanerkloster heute die Musikschule und die „Untere Stadtkirche“ beherbergt.


Die Familie

Familie, Neues Rathaus
Familie, Neues Rathaus © Sabine Glinke

Einen Abstecher kann man zum Neuen Rathaus machen; dort steht an der Ecke Ernst-Leitz-Straße/Karl-Kellner-Ring die Bronzeskulptur „Die Familie“ des Wetzlarer Bildhauers Ludwig Leitz. Die Skulptur, die die Innigkeit und Verbundenheit von Vater, Mutter und Kind widerspiegeln soll, ist nur eine der vielen Arbeiten Ludwig Leitz‘, der sich neben seiner beruflichen Tätigkeit im Hause Leitz dem Studium der Bildhauerei widmete.


Skulpturenpark in der Colchester-Anlage

Ruderer im Skulpturenpark in der Colchester-Anlage
Ruderer im Skulpturenpark in der Colchester-Anlage © Sabine Glinke

Die Route führt uns schließlich zurück in die Altstadt, vorbei am Eisenmarkt mit dem Barbarabrunnen, die Lahnstraße hinab und schließlich auf die Alte Lahnbrücke. Von dort geht es die Wendeltreppe hinunter in die Colchester-Anlage, in der es mit dem Skulpturenpark noch einige Objekte zu entdecken gibt. Neben einem niedlichen Nilpferd und einem Torso findet sich hier auch das Ruderdenkmal, das ebenfalls von Heinrich Janke geschaffen wurde. Auch in der Colchester-Anlage hat der aus Allendorf/Lumda stammende Alf Becker seine Kunst hinterlassen: „Zwischen noch und schon“ nennt sich die 1992 errichtete Skulptur aus Säulen und Würfeln, die, wie die meisten Kunstwerke des Bildhauers, mit dem Thema Balance spielt.


Gedenkstein Tile Kolup

Etwas außerhalb, an einem Premiumwanderweg, dem 3-Türme-Weg, liegt im „Kaisersgrund“, einem naturbelassenen Waldstück zwischen Frankfurter Straße und Friedenstraße der Gedenkstein für den falschen Kaiser Tile Kolup. Der Betrüger, der mit einem gefälschten Siegel Friedrichs II. Urkunden ausstellte, fand in Neuss – gut über ein Jahr – starken Rückhalt und hielt dort Hof. Als die Unruhen größer wurden, wich Tile Kolup im Sommer 1285 nach Wetzlar aus. Als König Rudolf und der Erzbischof von Köln mit ihren Heeren vor Wetzlar zogen, lieferten die Wetzlarer Tile Kolup an den rechtmäßigen König aus. Der ließ ihn am 7. Juli 1285 als Ketzer verbrennen.


Goethe-Skulptur am Goetheplatz in Garbenheim
Goethe-Skulptur am Goetheplatz in Garbenheim © Sabine Glinke

Selfie mit Goethe in Garbenheim

Doch auch in einem der Wetzlarer Stadtteile gibt es ein ganz wunderbares Denkmal: Am Goetheplatz in Garbenheim gleich hinter der Kirche kann man direkt neben dem Dichterfürsten auf einer Bank Platz nehmen und die Perspektive Goethes während seiner Zeit in Wetzlar an einem seiner Lieblingsplätze einnehmen. Die Künstlerin Judith Hagner hat Goethe hier mit einer lebensgroßen Bronzeskulptur ein Denkmal gesetzt, das direkt am gleichnamigen Wanderweg, dem Goetheweg, gelegen ist. Eine Rast neben Goethe auf der Bank lohnt sich; Selfie mit dem Dichterfürchten natürlich inklusive.