Dem Ehrenamt ein Gesicht geben
Teil 4: Thomas Friedrich-Hoster, der Vorlesepate

Thomas Friedrich-Hoster ist 69 Jahre alt und Vorlesepate in der städtischen Kindertagesstätte in Nauborn. Als ehemaliger leitender Oberarzt der Bauchchirurgie im Lahn-Dill-Klinikum in Wetzlar war er nach dem Übertritt in die Rente auf der Suche nach einer „neuen sinnhaften Tätigkeit“. Wie und warum der Vater von zwei Töchtern und Opa von vier Enkeln diesen Sinn im Ehrenamt fand, erklärt Friedrich-Hoster im Gespräch.
1. Das Ehrenamt:
Seit wann sind Sie dabei und wie oft engagieren Sie sich?
„Ich bin seit Herbst 2023 Vorleser in der Kita Nauborn für Kinder im Vorschulalter zwischen vier und fünf Jahren und mache das einmal in der Woche, am Freitag um 10 Uhr für eine Stunde, da dieser Tag gut und ohne Stress in meinen Wochenablauf hineinpasst.“
Wie würden Sie Ihr Ehrenamt beschreiben?
„Wenn ich in die Kita komme, begrüße ich erst einmal Alle, frage dann in den Kita-Gruppen nach, wer Lust hat, sich etwas vorlesen zu lassen. Meist sind es fünf bis sechs Kinder, denen ich dann in der sehr gut sortierten Bücherei der Kita etwas aus einem der über 1.000 Bücher vorlese und dann natürlich auch diskutiere.“
2. Interesse und Herausforderungen:
Warum haben Sie sich für dieses Ehrenamt entschieden?
„Als Rentner muss man schauen, dass man sein Leben weiterhin strukturiert. Ich habe in einer Zeitungsanzeige gesehen, dass Vorlesepaten gesucht werden. Das fand ich eine gute Möglichkeit, etwas ganz anderes zu machen, als in meinem Berufsleben. So eine Aufgabe, und überhaupt ein Ehrenamt, hatte ich bis dato noch nie gemacht. Und ich war schon immer bibliophil, habe auch meinen Kindern immer viel vorgelesen. Deshalb ist diese Vorlesetätigkeit für mich ein Heimspiel (lacht).“
Was ist die größte Herausforderung in Ihrem Einsatz?
„Als richtige Herausforderung würde ich es nicht bezeichnen, aber manchmal ist die Aufmerksamkeitsspanne der Kinder nicht die Größte oder sie wollen selber gerne lesen. Da muss ich mich dann als Vorleser zurücknehmen und stattdessen für Struktur sorgen, damit nicht alle gleichzeitig und durcheinander reden.“
3. Erlebnisse und Eindrücke:
Was motiviert Sie, weiterzumachen?
„Ich finde es einfach schön, mit den Kindern in die Kommunikation zu gehen und in den Kontakt zu kommen. Kinder sind offen, sie erzählen alles, was ihnen in den Kopf kommt, ohne Filter. Das finde ich toll und ich freue mich, wenn sich Kinder im Laufe der Zeit öffnen, die zuvor verschlossen waren. Da ist so ein gewisser pädagogischer Ansatz dabei, den ich schon immer hatte. Ich bringe gerne Menschen etwas bei, diskutiere, rege sie zum Nachdenken an. Ich habe früher im Beruf auch an der Krankenpflegeschule Unterricht gehalten. Ich bin schon ein kleiner Erklärbär (lacht). Zudem bekomme ich Einblicke in die Arbeit der Kita, ich war beispielsweise bei einem Feuerprojekt dabei. Hier haben die Kita-Kinder unter Aufsicht ein Feuer entzündet, es überwacht und anschließend selbst wieder gelöscht und durch dieses Projekt eine enorme Eigenverantwortung im jungen Alter bewiesen. So etwas mitzubekommen ist toll und hält auch mich weiterhin fit.“
Was war bisher Ihr schönster Moment im Ehrenamt?
„Den einen schönsten Moment kann ich gar nicht benennen. Es gibt viele spontane Momente und Geschichten, die man von den Kids erfährt. Ein Junge hat mir beispielsweise erzählt, dass er nicht mehr mit seinem richtigen Namen, sondern mit einem Spitznamen gerufen werden möchte. Das habe ich dann auch übernommen und er freut sich darüber. Das sind solche kleinen, schönen Momente. Das Vorlesen ist vielmehr ein Anlass, um anschließend mit den Kids zu diskutieren. Wenn ich zum Beispiel vorlese, „Fritz hat einen Apfel“, dann frage ich, wer von den Kids gerne Äpfel isst oder welches Obst sie lieber mögen, wer schon einmal einen Apfelkuchen gegessen oder gar selbst gebacken hat oder wer daheim den Kuchen backt. Dann geht’s richtig rund und die Geschichten platzen aus den Kindern heraus. Das ist schön zu sehen.“
4. Tipps und Wünsche:
Was würden Sie Menschen empfehlen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen?
„Man muss Zeit, grundsätzliches Interesse an anderen Menschen und Freude an der Kommunikation mit anderen Menschen mitbringen sowie Spaß daran haben, sich auf etwas Neues einzulassen. Für mich persönlich war aber noch etwas anderes entscheidend: Menschen definieren ihren eigenen Sinn, ob wir wollen oder nicht, zu einem großen Maße über die berufliche Tätigkeit. Diese Sinnhaftigkeit wird einem im Ruhestand entzogen. Das Ehrenamt bietet aus meiner Sicht eine solche. Diese muss, natürlich je nach Ehrenamt, nicht einmal eine ganz große Verantwortung erfordern. Du kannst, wie ich, ein bisschen was vorlesen oder einen Jugendlichen betreuen oder mit einer älteren Person einkaufen gehen oder einer syrischen Familie bei den Amtsformularen helfen. Überspitzt ausgedrückt, erlebt man sich als Rentner weniger wertvoll, aber als Rentner, der ein Ehrenamt ausübt, ist man wieder wertvoller. Das gilt auch nicht unbedingt nur für Rentner, sondern generell. Wenn jemand das Gefühl hat, es fehlt ein wenig Sinn im Leben, dann bekommt er diesen durch ein Ehrenamt.“
Was wünschen Sie sich für die Zukunft ihres Ehrenamts?
„Ich bin mit meiner ehrenamtlichen Tätigkeit super zufrieden. Mir ist die mediale Wertschätzung auch nicht wichtig. Ich ziehe Wertschätzung daraus, dass ich in die Kita gehe und die Leute sich freuen, mich zu sehen und von den Kindern, wenn diese Spaß an der Vorlesestunde haben.“
Sie haben nun Lust bekommen, ebenfalls ehrenamtlich im Jugendamt tätig zu werden? Dann melden Sie sich gerne bei Sibylle Powell, der Ehrenamtskoordinatorin des Jugendamtes der Stadt Wetzlar.
Telefon: 06441/99-5167
E-Mail: sibylle.powellwetzlarde
Teil 3: Frauke Zipp, die Vormundin

Frauke Zipp ist 52 Jahre alt und Patin im Ehrenamtsprogramm Alt hilft Jung sowie als ehrenamtliche Vormundin tätig. „Wenn ich bei jungen Menschen durch meine Unterstützung aufkommende Reflektionsfähigkeit, steigendes Selbstbewusstsein und erhöhte Selbstständigkeit bemerke, motiviert mich das ungemein“, berichtet Zipp über ihr Ehrenamt und erklärt im Gespräch außerdem, wie wichtig es ist hinzuhören, hinzuschauen und jungen Menschen, insbesondere Mündeln, damit eine Stimme zu geben.
1. Das Ehrenamt:
Seit wann sind Sie dabei und wie oft engagieren Sie sich?
„Ich habe im Januar 2014 im Alt-hilft-Jung-Programm angefangen. Dabei ging es um die Unterstützung von Jugendlichen im Alter von 13 bis maximal 21 Jahre, meist einmal pro Woche. Seit Dezember 2023 bin ich ehrenamtliche Vormundin für ein Mündel im Grundschulalter. Wie viel Zeit ich pro Woche mit dem Mündel verbringe, kann ich nicht pauschal sagen. Wir treffen uns mindestens einmal die Woche und so lange, wie es das Mündel möchte. Da ist von alltäglichen Dingen wie Eis essen, gemeinsames Kochen, Einkaufen gehen oder zusammen nähen alles dabei. Außerdem mache ich mit dem Mündel auch mal einen Kinotag oder Ausflüge wie zum HR3-Weihnachtssingen in Wiesbaden oder zum Wetzlarer Apfelmarkt. Dann gibt es auch noch Termine, die zum Bereich der elterlichen Fürsorge gehören. Ich habe regelmäßig Kontakt mit dem Klassenlehrer, nehme an Elternabenden teil, mache mit dem Mündel Arztbesuche und erledige Behördengänge.“
Wie würden Sie ihr Ehrenamt beschreiben?
„Vordergründig geht es als Patin meist um Themen wie schulische Leistungen und Nachhilfe, letztendlich geht es aber oft auch um die Steigerung von Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. Zudem stehe ich als Vormundin mit elterlicher Sorgfaltspflicht stärker in der Verantwortung für das Mündel als in einer Patenschaft. Konstanz und Stetigkeit sind hier noch wichtiger. Es ist deshalb sehr gut, dass vor Beginn der Vormundschaft intensive Schulungen erfolgen. Es gibt ein Eignungsgespräch sowie vier praxisnahe Seminar-Module mit Fachpersonal, in denen unter anderem die rechtlichen und entwicklungspsychologischen Grundlagen erklärt, die Aufgabe und Rolle des Vormunds sowie die Familiengeschichte des Mündels erläutert und die Rolle des Familiengerichtes aufgezeigt werden. Zudem werden während der Vormundschaft weitere Unterstützungen, wie regelmäßige Supervisionen und fachliche Schulungen in der Vormundschaftsführung, angeboten.“
2. Interesse und Herausforderungen:
Warum haben Sie sich für dieses Ehrenamt entschieden?
„Ich wollte ein Ehrenamt machen, in dem ich junge Menschen unterstützen kann. Ich habe den Eindruck, dass ich einen guten Zugang zu jungen Menschen habe. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich beruflich eine Zeit lang als Ausbilderin tätig war. Bis ich das für mich richtige Ehrenamt aber gefunden hatte, habe ich mich vorab über zwei Jahre informiert. Ich hatte eine klare Vorstellung von meiner Tätigkeit, die sich dann mit dem Alt-hilft-Jung-Programm der Stadt Wetzlar gedeckt hat.“
Was ist die größte Herausforderung in Ihrem Einsatz?
„Die größte Herausforderung ist aus meiner Sicht, Vertrauen und Zugang zu einem jungen Menschen - egal ob Mündel oder Patenkind - aufzubauen. Nur so kann man sein Gegenüber auch gut unterstützen, was das Allerwichtigste ist. Es ist ebenfalls wichtig, die Ruhe zu bewahren. Weniger beziehe ich Handlungen oder Reaktionen auf mich persönlich, sondern habe den Blick auf mein Gegenüber gerichtet und versuche zu verstehen, was es gerade beschäftigt oder braucht. Diesem tut das sehr gut, weil es gesehen wird und sich gesehen fühlt. Das führt dann dazu, dass das Gegenüber offener, gerade über eigene Probleme, kommuniziert. Das ist ein großer Teil der Vertrauensbasis.“
3. Erlebnisse und Eindrücke:
Was motiviert Sie, weiterzumachen?
„Mit meinem Ehrenamt unterstütze ich einen jungen Menschen beim Erwachsenwerden. Es geht aus meiner Sicht darum, dass mein Gegenüber die Fähigkeiten entwickelt, Dinge zu hinterfragen, für sich und seine Meinung einzustehen. Wenn ich bei jungen Menschen durch meine Unterstützung aufkommende Reflektionsfähigkeit, steigendes Selbstbewusstsein und erhöhte Selbstständigkeit bemerke, motiviert mich das ungemein. Mein Mündel hat zu Beginn beispielsweise häufiger geweint, ist mit der Zeit aber immer fröhlicher und selbstbewusster geworden.“
Was war bisher Ihr schönster Moment im Ehrenamt?
„Schön ist das, was ich zurückbekomme. Das sind nicht die großen, sondern die kleinen Entwicklungsschritte oder Sätze. Wenn ich beispielsweise mit meinem Mündel einen Kakao trinken gehe und sie sagt: „Heute lassen wir es uns einmal richtig gut gehen“, tut das einem selbst wahnsinnig gut und ist ein tolles Dankeschön. In den Alt-hilft-Jung-Patenschaften hatte ich auch Jugendliche, die kurz davorstanden, ihren Schulabschluss nicht zu schaffen, diesen dann aber letztlich gemacht haben und mittlerweile voll im Leben stehen. Emotional große Bedeutung hatte für mich der Gang zum Familiengericht. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich Vormundin für einen jungen Menschen bis zur Volljährigkeit werde. Jetzt kann ich nicht mal eben ein Sabbatical machen, sondern habe die elterliche Sorge und damit eine große Verantwortung.“
4. Tipps und Wünsche:
Was würden Sie Menschen empfehlen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen?
„Grundsätzlich muss man junge Menschen unterstützen wollen, hilfsbereit, offen, empathisch sein und auch die nötige Zeit mitbringen. Es ist aber auch wichtig, sich selbst zurückzunehmen, gesund abzugrenzen und zugleich dem Gegenüber Gehör und Aufmerksamkeit zu schenken. Ich sage immer, wichtig ist hinhören und hinschauen, was für mich bedeutet, aufzunehmen, was das Gegenüber sagt und dieses ernst zu nehmen, keine leeren Versprechungen machen. Ich stehe gegenüber außenstehenden Personen für mein Mündel ein. Wenn es eine Veränderung möchte, unterstütze ich, damit diese Veränderung auch nach Möglichkeit stattfinden kann, damit das Mündel sich respektiert und ernstgenommen fühlt. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt.“
Was wünschen Sie sich für die Zukunft ihres Ehrenamts?
„Sowohl bei Alt hilft Jung als auch bei der Vormundschaft gibt es bei der Stadt gute Bezugspersonen, bei denen man sich bedenkenlos mit allen Fragen oder Unsicherheiten melden kann und Unterstützung bekommt. Diese Bezugspersonen sind ebenfalls mit Herzblut dabei, das finde ich wichtig und macht Spaß. Zudem ist die Vorauswahl seitens des Jugendamtes für das richtige Gegenüber, also welcher Ehrenamtliche zu welchem Jugendlichen oder welcher Familie passen könnte, super.“
Teil 2: Julian Schulz, der junge Helfer

Julian Schulz ist 29 Jahre alt und Pate im Ehrenamtsprogramm Alt hilft Jung. „Neben dem Schreiben von Bewerbungen wollte ich noch eine sinnvolle Tätigkeit machen“, sagt Schulz und erzählt im Gespräch außerdem, was seine eigene Familiengeschichte mit der Arbeit als Pate zu tun hat und wie ihm sein Hund Goldi beim Start ins Ehrenamt geholfen hat.
1. Das Ehrenamt:
Seit wann sind Sie dabei und wie oft engagieren Sie sich?
„Ich habe mich im November 2023 für das Alt-hilft-Jung-Programm angemeldet und betreue seit Mai 2024 ein 12-jähriges Kind regelmäßig einmal pro Woche, freitags, für zwei bis vier Stunden.“
Wie würden Sie Ihr Ehrenamt beschreiben?
„Es geht darum, Impulse zu geben und als Pate gemeinsam mit dem Kind sinnvoll die Freizeit zu gestalten, damit es neue Aktivitäten und Hobbys für sich selbst entdeckt und seinen Horizont erweitert. Dadurch werden zugleich die Eltern entlastet. Aus meiner Sicht ist das ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Kinder geben einem etwas zurück und ich kann einer Familie unterstützend unter die Arme greifen.“
2. Interesse und Herausforderungen:
Warum haben Sie sich für dieses Ehrenamt entschieden?
„Ich war Ende 2023 auf Jobsuche und hatte das Gefühl, neben dem Schreiben von Bewerbungen noch eine sinnvolle Tätigkeit machen zu wollen. Dabei war mir der soziale Aspekt sehr wichtig. Ich habe mich deshalb beim Freiwilligenzentrum in Wetzlar gemeldet und mich für das Alt-hilft-Jung-Programm und die Patenschaft für ein Kind entschieden. Auch nachdem ich dann einen Job gefunden hatte, wollte ich die Patenschaft unbedingt durchziehen.“
Was ist die größte Herausforderung in Ihrem Einsatz?
„Das Kind hatte besonders am Anfang immer wieder Schwierigkeiten mit der eigenen Motivation. Da gilt es geduldig zu bleiben und auch einmal ein Treffen zu akzeptieren, bei dem man nach einer halben Stunde einsehen muss, dass das Kind heute einfach keine Lust hat. Aber mit zunehmendem gegenseitigem Vertrauen wurde die Motivation und der eigene Antrieb des Kindes immer größer.“
3. Erlebnisse und Eindrücke:
Was motiviert Sie, weiterzumachen?
„Da ich selbst keine Kinder habe und deshalb in diesem Thema unerfahren bin, war die Patenschaft auch eine Challenge für mich selbst. Bekomme ich einen Zugang zu dem Kind, verstehe ich mich gut mit ihm und den Eltern? Es geht vor allem darum, eine persönliche Bindung und Beziehung zum Kind aufzubauen. Das hat gut geklappt. Das Kind hat sich weiterentwickelt, ist mehr aus sich herausgekommen, eigenständiger geworden und hat gemerkt, wie vielfältig Freizeitgestaltung sein kann.“
Den Eltern damit zu helfen, motiviert mich ebenfalls. Meine Mutter war selbst alleinerziehend und hätte eine solche Hilfe sicher auch gerne angenommen. Durch das Kind habe ich mich zudem selbst weiterentwickelt. Ich versuche, dem Kind etwas mitzugeben, lerne neue Perspektiven auf das Leben und die Gesellschaft, auch und gerade bezüglich der Möglichkeiten zur Förderung von Kindern, kennen.“
Was war bisher Ihr schönster Moment im Ehrenamt?
„Es hat mich sehr gefreut, dass das Kind sofort super mit meinem Hund Goldi klarkam. Mein Hund war auch eine Art „Icebreaker“ für uns beide. Dadurch hatten wir direkt einen guten Draht zueinander und sind anfangs viel mit dem Hund in der Wohnsiedlung des Kindes Gassi gegangen. So habe ich die Umgebung und das Umfeld des Kindes schnell kennengelernt. Auch, dass er mich auf seinen Geburtstag eingeladen hat, fand ich sehr schön und wertschätzend.“
4. Tipps und Wünsche:
Was würden Sie Menschen empfehlen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen?
„Man braucht auf jeden Fall Offenheit und Empathie, muss sich auf die Lebensrealität des Gegenübers gut einstellen können. Wenn jetzt beispielsweise weniger Geld zu Verfügung stehen sollte, kann ich dem Kind nicht vorschwärmen, dass wir in der Freizeit ins Phantasialand fahren. Auch eine gute Portion Spontanität gehört dazu. Es gibt keine Faustformel im Umgang mit jungen Menschen, auch wenn man das Kind schon länger kennt.“
Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihres Ehrenamts?
„Ich habe von Patenschaften gehört, die weit über die eigentliche Zeit als Pate hinaus Bestand haben. Dass sich manche auch Jahre später, wenn das Kind längst erwachsen ist, immer noch regelmäßig, beispielsweise zum Kaffee trinken, treffen. So etwas würde ich mir auch wünschen. Generell, auf das Ehrenamt, bezogen wäre eine größere gesamtgesellschaftliche Wertschätzung schön. Dieses Thema sollte präsenter sein und es sollte gezeigt werden, wie wichtig und wertvoll diese Arbeit ist.“
Teil 1: Sonja Muth, die Familienpatin

Sonja Muth ist 41 Jahre alt und als Familienpatin tätig. Als Mutter einer 3-jährigen Tochter kennt sie die Lebensumstände und Herausforderungen des Alltags mit einem kleinen Kind. Mit ihrer Erfahrung unterstützt Sonja Muth andere Familien in einer ähnlichen Lebenssituation. „Ich wollte mich schon immer ehrenamtlich engagieren, weil ich soziales Engagement sehr wichtig finde und etwas in der Gesellschaft bewirken möchte“, erklärt Muth und erzählt im Gespräch zudem, wie sie Familie, Beruf und Ehrenamt miteinander vereinbart und warum eine Geste manchmal mehr Wert ist als Worte.
1. Das Ehrenamt:
Seit wann sind Sie dabei und wie oft engagieren Sie sich?
„Ich mache mein Ehrenamt seit Sommer 2022 und treffe mich üblicherweise einmal in der Woche für 2 bis 3 Stunden mit der Familie oder dem Kind alleine. Die Zeiten können aber auch individuell variieren.“
Wie würden Sie ihr Ehrenamt beschreiben?
„Ich begleite eine Familie oder eine alleinerziehende Person mit Kindern im Alter von 0 bis 3 Jahren. Dabei ist keine Woche gleich, sondern richtet sich immer nach dem Bedarf der Familie. Das kann eine Betreuung der Kinder im häuslichen Umfeld sein oder ich verbringe Zeit mit dem Kind auf dem Spielplatz, begleite das Kind zum Kinderturnen oder führe auch mal ein lockeres Gespräch über die Alltagssorgen der Familie bei einer Tasse Kaffee. Ich höre den Eltern aktiv zu, stärke ihnen den Rücken und spreche ihnen Mut zu. Es geht vor allem darum, eine konstante, verlässliche Ansprechperson zu sein, die dadurch auch entsprechend Vertrauen zur Familie aufbaut. Insgesamt ist es ein sehr vielfältiges, interessantes und vor allem erfüllendes Ehrenamt mit einer großen Verantwortung.“
2. Interesse und Herausforderungen:
Warum haben Sie sich für dieses Ehrenamt entschieden?
„Ich wollte mich schon immer ehrenamtlich engagieren, weil ich soziales Engagement sehr wichtig finde und etwas in der Gesellschaft bewirken möchte. Und als Mutter weiß ich, dass man im Alltag gerade in der heutigen Zeit an seine Grenzen kommen kann. 2022 war ich dann mit meiner Tochter in einer Krabbelgruppe in Hermannstein, dort wurde von einer Fachkraft das Ehrenamt der Familienpatin vorgestellt. Ich fand diese Aufgabe interessant, habe dann die Schulung besucht und mich letztlich für dieses Ehrenamt als meine erste ehrenamtliche Tätigkeit überhaupt entschieden. Für mich war die wichtigste Voraussetzung, dass das Ehrenamt mit meiner Familie und meinem Beruf vereinbar ist. Meine Tochter war damals bei der Schulung mit dabei und ist es auch jetzt oft bei den Treffen mit der Familie.“
Was ist die größte Herausforderung in Ihrem Einsatz?
„Derzeit bin ich Familienpatin einer aus Afghanistan geflüchteten Familien mit drei Kindern. Wenn die Familie von der Kriegssituation in ihrem Heimatland erzählt und die Tränen laufen, dann ist das nichts mehr, was man einfach nur aus den Nachrichten kennt, sondern dann wird das real. Ich bin natürlich keine Fachkraft, habe keine pädagogische oder psychologische Ausbildung. Ich versuche, die Familie mit meinen Möglichkeiten zu unterstützen, aber solche Familien werden auch noch zusätzlich durch professionelle Betreuung und Institutionen unterstützt.“
3. Erlebnisse und Eindrücke:
Was motiviert Sie, weiterzumachen?
„Anders als vor rund 40 Jahren, als meine Mutter als Hausfrau immer zu Hause, immer verfügbar war, ist es heute so, dass meist beide Elternteile arbeiten, oft auch in Vollzeit. Da bleibt wenig Zeit für die Familie übrig. Und in die wenige Zeit muss dann alles reingepackt werden, was oft zu Stress und Überforderung führt. Da greife ich gerne unter die Arme und unterstütze.“
Was war bisher Ihr schönster Moment im Ehrenamt?
„Solche Momente erlebe ich vor allem in der Zusammenarbeit mit den Kindern. Kinder reflektieren unheimlich gut, haben keinen Filter und sind dadurch immer ehrlich, sei es durch eine Geste oder einen Gesichtsausdruck. Wenn ein Kind lacht, hat es gerade wirklich Freude, da ist nichts gespielt. Ich hatte beispielsweise ein Erlebnis, da habe ich mit den Kindern einer Familie gespielt, gebastelt und Lieder gesungen. Und aus dem Nichts ist dann eines der Kinder aufgestanden und hat mich wortlos umarmt. Das war ein sehr schöner Moment, in dem ich auch gemerkt habe, dass ich etwas richtig gemacht habe, was auch wieder motivierend ist.“
4. Tipps und Wünsche:
Was würden Sie Menschen empfehlen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen?
„Grundsätzlich braucht man das Interesse an einer Zusammenarbeit mit Familien. Man sollte auch offen, empathisch und bereit sein, sich weiterentwickeln zu wollen. Ich bin auch nicht als Allwissende in die Tätigkeit mit der Familie gegangen, sondern beobachte selbst viel. Gerade im Umgang zwischen den Eltern und dem Kind konnte ich mir da auch noch einiges abschauen und lernen.“
Was wünschen Sie sich für die Zukunft ihres Ehrenamts?
„Für das Ehrenamt der Familienpatin gibt es seitens der Stadt bereits gute Fortbildungsangebote, an diesen sollte festgehalten werden. Diese können auch gerne noch weiter ausgebaut werden, um noch gezielter ausgebildet werden zu können. Schön wäre auch, wenn es noch mehr Möglichkeiten zum gegenseitigen Austausch unter den Ehrenamtlichen geben würde.“